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Dresden Neustadt im Wandel der Zeit

Das Gebiet der Neustadt (Antonstadt), heute viel besser als „Äußere Neustadt“ bekannt, blieb sehr lange Zeit unbebaut. Früher nur Waldgebiet der damals weit nach Süden reichenden Dresdener Heide, erfolgte im 17. Jahrhundert mit dem Bau eines neuen Befestigungsringes um die Stadt Dresden die Rodung weiter Flächen. Damit das Festungsvorland („Glacis“) zur besseren Übersicht gegenüber Feinden von jeglicher Bebauung wegzuhalten war, setzte nach dem Kahlschlag der Bäume schnell die Verödung des Landes ein. Einzig die Bautzner und die Königsbrüsker Straße, sowie der im 13. Jahrhundert als Verbindungsteil zwischen Meißen und Stolpen angelegte Bischofsweg, teilten das sandige Areal. Dessen Kargheit unterstrich der vor dem „Schwarzen Tor“ erbaute Galgen, an dem bereits seit dem Jahre 1563 Hinrichtungen stattfanden. Die Richtstätte wurde im Jahre 1732 verlegt. Der Galgen stand früher an der Königsbrücker Straße in Höhe der Einmündung der Stetzscher Straße, die dann auch den doch sehr passenden Namen trug – Leichenweg.

Erst im Jahre 1701, nachdem der Versuch der Befestigung vom Boden inform von Bepflanzung nicht klappte, gab man den „Neuen Anbau auf dem Sande“ zur Bebauung frei. Bald darauf entstanden Häuser, vor allem im Bereich zwischen Alaunstraße (diese Straße führte zu einer in der Heide gelegenen Alaunflußsiederei), Louisenstraße (ehemals Badegasse) und Bautzner Straße (siehe Abbildung). Neben den Dresdner Bürgern, darunter vielen Beamten, die mit der beginnenden Schleifung der mittelalterlichen Festungsanlagen in die Vorstädte zogen, waren es vor allem böhmische Familien, die sich hier niederließen und durch Weinanbau sowie den Betrieb von Schänken dem Viertel zu seinem ursprünglichen Charakter verhalfen (und der Böhmischen Straße zu ihrem Namen). Interessant ist in diesem Zusammenhang der alte „Dorfkern“ im Hof der Rothenburger Straße 11, der vermutlich nie ein solcher war, in seiner Anordnung der Gebäude aber vollkommen der heutigen Bebauungsstruktur widerspricht.

Ein im Jahre 1745 aufgestellter Plan regelte die Parzellierung des „Neuen Anbaus“ und legte den Verlauf der meisten noch heute existierenden Straßen fest. Dazu gehören u.a. die Weiße Gasse (Görlitzer Straße), die Schwarze Gasse (Kamenzer Straße), die Prießnitzgasse (Prießnitzstraße), die anfangs namenlose Martin-Luther-Straße sowie die Judengasse (Pulsnitzer Straße). An letzterer wurde 1751 der heute in Sachsen älteste Jüdische Friedhof angelegt (seit 1869 geschlossen).

Aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen die ältesten noch heute vorhandenen Gebäude der Äußeren Neustadt. Das bekannteste ist wohl das Gebäude Louisenstraße 59, die „Rädlersche Schule“ aus dem Jahre 1789. Ein weiteres Beispiel aus jener Zeit befindet sich an der Bautzner Straße 60 (vermutlich schon 1755 errichtet).

Eine sehr aufgeregte Bautätigkeit ergriff dann auch das Gebiet südlich der Bautzner Straße. Zu dem bereits 1685 vor die Tore der Stadt verlegten Königlichen Holzhof (er befand sich südlich der Holzhofgasse) gesellten sich vor allem Gastwirtschaften, die durch der hohen Zahl von Reisenden ein gewinnbringendes Geschäft erhofften, aber auch den ersten Ausflüglern zur Einkehr dienten (an einen dieser Gasthöfe – die „Weintraube“ – erinnert die nach ihm benannte Weintraubenstraße).

Nach dem 1815 die Festungsanlagen abgetragen waren, die Dresden bis dahin von seiner Umgebung trennten, wurde der Zugang zu den umliegenden Vororten wesentlich erleichtert. Der in zwischen gewachsene, aber in sich geschlossen gebliebene „Neue Anbau“ öffnete sich nun gleichfalls Richtung Stadt. Ein verstärkter Verschmelzungsprozeß führte schlussendlich zur Eingemeindung des Viertels. 1835 kam es als „Antonstadt“ zu Dresden und erhöhte dessen Einwohnerzahl um 6000.

Fast simultan erreichte die wachsende Bebauung den Bischofsweg und somit die nördliche Grenze des Kerngebietes der Äußeren Neustadt. Das Stadtbild entsprach freilich noch nicht dem von heute. Es wurde bestimmt durch ein- bis zweigeschossige, alleine stehende Häuser mit Vorgärten. Die Sebnitzer Straße entstand als „Marktgasse“. Der Alaunplatz wurde für Sport- und Trainingsübungen angelegt, damit setzte auch das Militär seinen Fuß in die Antonstadt und blieb dort bis heute. Ansonsten entwickelte sich die weitere Entwicklung der Äußeren Neustadt eher ruhig, dafür immer während – bis 1870, als der Sieg über Frankreich umneu etablierten Deutschen Reich eine neue Ära einläutete. Die „Gründerzeit“ mit ihrem einzigartigen Bauboom gegen Ende des kommenden Jahrhunderts sollte auch der Dresdner Neustadt, die entscheidende Prägung geben.

Die Entwicklung in den zwanziger Jahren

Das Ende des Ersten Weltkrieges hieß auch das Ende der Monarchie. Nicht nur der deutsche Kaiser mußte gehen, sondern auch der König von Sachsen. Die ersten Zeit der Weimarer Republik war durch wirtschaftliche Armut und politische Eskapaden gebrandmarkt. Die einsetzende Inflation erreichte schwindelerhöhende Bereiche und der Kampf um den täglichen Verdienst wurde zur Hauptbeschäftigung des Volkes. Dies galt natürlich auch für die Äußere Neustadt. Eine Verbesserung diese Zustände setzte erst nach 1923 ein. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wurde auch der Wandel der Kulturen deutlich, der sich inzwischen vollzogen hatte. Weg von den kleinbürgerlichen Idealen der Kaiserzeit entstanden neue Ausdrucksformen im Bauwesen, in der Kunst und Kultur.

Die Theater erlebten wieder steigende Besucherzahlen. Neben dem Alberttheater am Albertplatz – es entstand 1871/73 und war bis zu seiner Zerstörung 1945 eines der bedeutendsten Spielstätten in Dresden – existierten mehrere kleinere Theater in der Äußeren Neustadt. Genannt werden soll hier an erster Stelle „Tymians Thalia Theater“ (Thalia – die Muse des Lichtspiels). Emil Winter-Tymian übernahm im Jahre 1911 die bereits 1896 als „Apollo-Volks-Theater“ eröffnete Bühne auf der Görlitzer Straße 4-6. Hier traten verschiedene Unterhaltungskünstler auf, unter anderem der Besitzer selbst. In den zwanziger Jahren entwickelte sich das „TTT“ zum bekanntesten sächsischen Volkstheater. Heutzutage erinnert an Emil Winter-Tymian ein Gedenkstein an der Fassade des Gebäudes Louisenstraße 55.

Nicht weit vom Thalia-Theater weg, entwickelte sich im Vorderhaus der Görlitzer Straße 18 um 1890 „Apels Marionettentheater“. Im Hof wuchs zur Wende zusätzlich eines der ersten Lichtspielhäuser der Dresdner Neustadt, welche die „Weiße Wand“ genannt wurde. Schnell kamen weitere hinzu, darunter wurden vorhandene Theater für den Film umgenutzt. Bedeutung erlangten neben der „Weißen Wand“ (ab 1912 „Hansa-Lichtspiele“) das „Cosmos“ in der Alaunstraße 28 sowie das „TB – Theater am Bischofsplatz“. Mit der Einführung des Tonfilmes Mitte der zwanziger Jahre erreichte die Kinotechnik eine neue Qualität. 1928 wurde die Schauburg eröffnet, der erste große Filmpalast in der Neustadt. Hier werden auch heute noch Filme gezeigt; vor wenigen Jahren erfolgte sogar noch der Einbau weiterer Kinosäle. Zu DDR-Zeiten diente die Schauburg auch anderen Veranstaltungen, so z.B. der „Jugendweihe“. 1945 fand hier außerdem die Gründungsversammlung des FDGB Sachsen statt.

Das Einsetzen des Filmes in der Dresdner Neustadt

Eine andere Epoche ging indessen durch das aufkommende Kino mehr und mehr dem Ende entgegen – die der Ballhäuser. Das Tanzvergnügen gehörte einst für viele zum festen Bestandteil des Wochenendes. In der Äußeren Neustadt ging man dazu z.B. in das „Orpheum“ auf der Kamenzer Straße. In den dreißiger Jahren wegen Lärmbelästigung der Anwohner (!) geschlossen, bezog ein Klavierbauer („Piano-Thierbach“) die Räume und rettete sie so vor dem Verfall. Seit kurzem befindet sich ein Architekturbüro im ehemaligen „Orpheum“, dessen alte Pracht von den neuen Eigentümern wiederhergestellt wurde (wofür allerdings bleibt fraglich). Ein weiterer Ballsaal befand sich an der Ecke Königsbrücker Straße/ Bischofsweg – „Damm’s Etablissement“. 1869-1873 erbaut, trug es später die Namen „Reichsadler“, „Reichskrone“ und „Reichsbanner“. Nach 1945 wurde daraus das „Aktiv“ – in den letzten Jahren als Turnhalle genutzt. Als der bauliche Zustand immer bedenklicher wurde, erfolgte die Schließung ; nach der „Wende“ richtete sich hier ein Möbelhändler ein. 1993 kaufte ein Investor das „Aktiv“ und riß es kurz danach unter großen Protesten der Neustädter Bevölkerung zugunsten neuer Bürogebäude ab.

Und dann kam der Wirtschaft- Crash

Doch zurück in die zwanziger Jahre. Außer den neuerrichteten Häusern an der Bischofswerdaer Straße tat sich baulich recht wenig in der Äußeren Neustadt . 1929 entstand das Hochhaus am Albertplatz – nach New Yorker Vorbild (1945 raste – ebenfalls nach New Yorker Vorbild, dort traf es das Empire State Building – ein Militärflugzeug in das Gebäude). Mit seinen 11 Stockwerken stieß es anfangs auf energischen Widerspruch in der Dresdner Bevölkerung, die damit ihre Stadtsilhouette verschandelt sah. Erster Mieter war die Sächsische Bank, nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die Dresdner Verkehrsbetriebe hier ihr Domizil. Diese zogen 1997 aus, seitdem steht der Bau leer.

Nach dem Zusammenbruch des Aktienmarktes von 1929 waren dann auch die „Goldenen Zwanziger“ nach nur fünf Jahren wieder vorbei. Der Zusammenbruch der Wirtschaft führte zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen in der Politik. Die Äußere Neustadt besaß zu der Zeit einen Anteil von etwa 42 Prozent Arbeitern, 17 Prozent Beamten und Akademikern und 21 Prozent Handwerkern. Jede der drei großen Parteien (KPD, SPD und NSDAP) suchte ihre Wählerschaft im Viertel und hatte bevorzugte Stammlokale. Die Kommunisten und Sozialdemokraten versammelten sich u.a. im „Sängerheim“ (Alaunstraße 80, später die „Konzertklause“), im Kamenzer Hof (Kamenzer Straße 44) oder im „Görlitzer Garten“ (Görlitzer Straße 20). Die Nationalsozialisten trafen sich im „Antonstädter Kasino“ (Louisenstraße/ Ecke Talstraße) oder in Hollack’s Gaststätten (Königsbrücker Straße 10). Die linken Parteien konnten sich lange behaupten; die Reichstagswahlen 1932 ergaben in der Neustadt noch fast das doppelte an Stimmen für SPD und KPD gegenüber der NSDAP.

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